Sie ist ohne Zweifel die gr??te Schauspielern unter den ganzen Selbstdarstellungs-Profis hier auf Mallorca! Sie braucht keinen Ferrari Spider, auch keinen Ascona Cabrio aus 82. Sie zieht Ihre Show konsequent durch, tagein, tagaus.
Als ich sie das erste Mal sah, fiel mir sofort ihre Frisur auf – oder auch das, was sie mit ihren Haaren gemacht hat: Rasta-Alarm der aller ersten G?te! Wie man sich bei den Temperaturen ein Naturschutzgebiet auf seinem Kopf einrichten kann, ist mir komplett schleierhaft. Dazu passend tr?gt sie Schlabberklamotten, alles extrem „grungig“ (Hey, gibt es Grunge eigentlich noch, oder war das Kapitel mit dem fr?hen Tode Cobains besiegelt?). Dazu passt auch vortrefflich das Lippenpiercing, welches ihr zugegebenerma?en zu dem verlotterten auch noch ein verruchtes Aussehen verleiht.
Die deutsche Touristin h?lt ihre von teurer Anti-Faltencreme und Selbstbr?uner konservierten, allerdings weit von faltenfrei entfernten Finger, die mit etlichen Goldringen unterschiedlichster Qualit?t behangen sind, maximal 1mm ?ber das Backgut, das unsere Medusa hier den liquiden Touris gegen Geld verkauft. „Und eines hiervon… noch 2 davon… zwei… ja, zwei…z-w-e-i… ja… Helga, soll ich von den langen auch noch? -Ja, drei St?ck!“ -Die Medusa versucht indessen, der reichen Witwe die Grundz?ge des Spanischen beizubringen: „Un… dos… tres“ belehrt sie die alte Frau komplett erfolglos w?hrend jeder ihrer Bestellungen. Erfolglos deshalb, weil die gute grande Dame wohl glaubt, hier m?sse man dankbar die Devisen annehmen, die sie ins Land bringt.
„Sie, die Medusa“ ist ?brigens Nancy, ihr Freund ist Argentinier, und die beiden f?hren hier gleich nebenan eine Mischung aus Tante-Emma-Laden und Bademoden-Shop, der so gut wie ganztags ge?ffnet ist und einen so von morgendlichen Backwaren und der obligatorischen Bildzeitung ?ber nachmittagliche Eisgel?ste und abendliche Abendessenszutaten bis hin zur Nachschub-Weinflasche versorgt. Ihr Freund, ein typischer Aussteiger, der viel zu d?nn und viel zu braun ist, kann ein paar Brocken Englisch und anderthalb Worte deutsch. Die mu? ihm mein Onkel irgendwann mal beigebracht haben, von Nancy kennt er sie jedenfalls nicht. Die spricht perfekt Spanisch, und das besonders gnadenlos mit den Touris. Keine Chance auf heimische T?ne, da ist Nancy streng. Als die besagte Touri-Schrulle bezahlt hat, ?u?ert Nancy, was sie von den ganzen Deutschen hier h?lt, die mit dickem Geldbeutel, aber ohne ein Wort Spanisch nach Mallorca kommen: Sie sch?ttelt sich, als ob sie sich ekelte. Sie kann nicht wissen, dass mich ?hnliche Empfindungen befallen, wenn ich mir beim Brotkauf ihr Rasta-Biotop anschaue und bei der weiteren Musterung an den Nahrungsresten an ihrem Lippenpiercing h?ngenbleibe. Mag sein, dass andere sowas wie Nancy sexy finden, wahrscheinlich ihr Argentinischer Lover, vielleicht gerade wegen des Verruchten, aber bitte, ich mag gar nicht dr?ber nachdenken, wie sie wohl unter den Armen oder auf dem Kopf riecht, wenn Nancy mir im besten Spanisch mein Ciabatta einpackt.
Doch warum ist diese Frau nun eine Schauspielerin? Authentischer kann man doch gar nicht sein: Der gro?e Traum vom Aussteigen dort gelebt, wo andere Urlaub machen. Den Lebensunterhalt ehrlich, aber mit Passion durch Arbitrage verdienen. (?brigens ist ihr Macker ein schlechter Kaufmann, denn den Wein von Jos? L. Ferrer verkaufen die beiden billiger als jeder andere Tante-Emma-Laden auf der Insel!) Und Nancy, die alles ha?t, was Deutsch-sein landl?ufig mit sich bringt: Also mit Fingerzeig und auf Deutsch bestellen, Bild-Zeitung lesen und immer p?nktlich, immer intellektuell, immer genau und sauber – diese Nancy, die uns alle glauben macht, sie sei auch argentinische Vorzeige-Aussteigerin, kommt in Wirklichkeit aus einem Nest in Sachsen. So, jetzt isses raus. H?tte ich nicht einen Onkel hier, der mit der in meiner Familie (v?terlicherseits) offenbar tief verankerten „sympatisch-charmanten Unversch?mtheit“, wie ich das gerne umschreibe, einfach mal barsch der guten Nancy auf den Zahn gef?hlt hat und so wahrscheinlich der einzige ist, der wei?, da? die gute sich hier einen zusammenschauspielert, wenn sie z?hneknirschend und verachtend tagt?glich ihre Landsleute bedient, w?rde ich heute noch dar?ber gr?beln, warum mich diese Hippie-Trulla wohl nicht mag. Tjaja, die Nancy… obwohl: Ginge es nach meinem Onkel, hie?e ich auch Michele oder Manfredo und die Herzdame Jennifer (when in Germany) oder Conchita (hier auf Malle)?