Es mag kein Geheimnis sein, da? ich Bahnfahren grausam finde. Zumindest im Nahverkehr hat diese traditionelle Form der ?ffentlichen Bef?rderung durch Versp?tungen und ?berf?llte Z?ge seinen Charme verloren. Wenn ich doch einmal Bahn fahre, dann geschieht das nicht aus Umweltbewu?tsein, sondern hat immer seinen guten Grund.
So wie auch heute, Krefeld – Bonn. Umsteigen in K?ln in eine versp?tete, viel zu kleine RegionalBahn, in der ich auch noch die ganze Strecke stehen mu?te. Links ein versagtes Deo, direkt vor mir zehn Kilo Schuppen auf schwarzem, speckigen Kragen, irgendwo h?lt jemand nichts vom Rauchverbot, und von hinten rechts kommt mir Hungermagen mit Kaffee-Kippe ?ber die Schulter gekrochen.
Und wann immer man denkt, es kann gar nicht mehr schlimmer kommen, hat der Rheinl?nder noch was in Petto!
Ein beim Einsteigen schon recht desolat wirkender Anh?nger des 1. FC Podolski in auffallender Vereinstracht suchte sich zielstrebig ein Pl?tzchen zum Sitzen und nickte kurz nach K?ln Hauptbahnhof seelig weg. Betrunkene Fu?ballfans sind mir pers?nlich ja am liebsten, wenn sie schlafen. Nach kaum 10 Minuten Fahrt in diesem ohnehin brutal ?berf?llten Zug wachte der Kerl dann auf, um sich aus voller Brust nach allen Seiten gro?z?gig zu ?bergeben. Nein, ich sollte besser „er kotzte alles voll“ sagen, denn das Bild, das dieser Mensch da bot, war absolut unterirdisch. Klar, da? das auch die Aufmerksamkeit meiner Mitreisenden erregte, die ihn erst kr?ftig anfeuerten, nur um ihn dann f?r die Sauerei zu beschimpfen und ihn mit Klopapier dekorierten. Die beiden jungen Polizeisch?lerinnen vor mir mu?ten gl?cklicherweise an der n?chsten Haltestelle raus, sonst h?tte ich wohl eine vollgekotzte Jacke gehabt. Die eine war schon ganz gr?n im Gesicht. In solchen Momenten bin ich irre froh, durch die Strapazen des Zivildienstes meinen Brechreiz erheblich gesenkt zu haben. Und auch ich gebe zu, da? der Zivildienst-Bonus irgendwann aufgebraucht war und ich daher froh war, das ganze nicht zwingend mit ansehen zu m?ssen, direkt unter der L?ftung zu stehen, und auf den Ohren die neue Apoptygma Berzerk gehabt zu haben, denn so ?bert?nte dies wenigstens das Gepl?tscher des Fu?ballfans. (?brigens, an dieser Stelle sei schnell erw?hnt, da? das Album extrem gew?hnungsbed?rftig ist, aber die Coverversion von „Cambodia“ definitiv ?berzeugt und hundert pro besser ist als das Original von Kim Wilde, die ja darin eigentlich nie den Ton getroffen hat.)
Bei unserem Aktionsk?nstler scheint aber nicht nur das letzte Bier, sondern eher die letzten 20 Bier schlecht gewesen zu sein, denn auf einmal meldete das olfaktorische Register noch einen zweiten Geruch, den diese Kreatur, die wenig an Zivilisation erinnerte, aus der anderen K?rper?ffnung absonderte.
Es lag sicher nicht nur an ihm, da? sich der Zug immer weiter entleerte, und so der Kreis derer, die das Schauspiel unfreiwillig miterleben mu?ten, kleiner wurde. Irgendwann grunzte der Kerl noch was von „Godesberg, ich mu? nach Godesberg“, und ich ?berlegte echt, ob ich nicht in Bonn aussteige und die U-Bahn nachhause nehmen soll. Unertr?glich war der Gestank am Werden, und so mit der Zeit machte mir der Kollege Angst. Sp?testens, als er nochmal Br?ckchen hustete und der P?bel wieder was zum Gaffen hatte, und dann aus der Stille nach den pl?tschernden Lauten seine verklebten Stimmb?nder was von „Arzt… ich brauche einen Arzt… w?hlt denn niemand 112″ grunzten und sich die K?pfe pl?tzlich wegdrehten, hatte ich ein akutes Gef?hl von Alleinsein mit einer Situation, die mir alles andere als geheuer war.
Von den anderen Herrschaften machte niemand Anstalten, also fa?te ich mir ein Herz und dr?ckte den Knopf der SOS-Sprechanlage. Beim zweiten Dr?cken bekam ich auch prompt eine Audienz beim Zugf?hrer und orderte einen Krankenwagen, der sich um unsere beinahe-Alkoholleiche k?mmern sollte. Was so toll an der Auslegware in dem Abteil gewesen ist, da? da alle, die ich danach ansehen wollte, spontan hinschauten, ist mir schleierhaft.
Vielleicht war es ja eine Fehlentscheidung, ?bertrieben, nicht n?tig, was wei? ich. Wenn aber vor meinen Augen einer liegt, der nicht mehr nach unten, sondern sich selbst den Hals vollkotzt, dann h?rt der Spa? auf. Es kann doch nicht im Ernst sein, da? ich der einzige in diesem ganzen Zug war, der da ein extrem ungutes Gef?hl bei hatte, einen so zugerichteten Mitmenschen einfach seinem Schicksal zu ?berlassen! Was laufen da drau?en blo? f?r Leute rum? -Man mu? schon Angst haben, da? man geholfen bekommt, wenn einem selbst mal was fehlen sollte…