Archiv für die 'Traumdieb & Umwelt' Kategorie

Im Buchhandel

Neulich im Buchladen: Ein alter Mann stromert im Laden umher, während seine Gattin sich von einer Angestellten die gewünschten Bücher raussuchen läßt. Er hat einen gräßlichen Husten; es hört sich an, als stülpte er jedes Mal seine halbe Lunge dabei aus, wenn sich der geschrumpfte, vom Alter besiegte Körper unter lautem Rasseln krümmt. Da ich in einer langen Schlange anstehe, kann ich seinem Husten nicht ausweichen. Als er direkt neben mir steht und den Bücherstapel mustert, findet eine Neuerscheinung plötzlich sein Interesse und er hebt das Buch hoch, um es zu begutachten: Menschenwürdig sterben – Ein Plädoyer für Selbstverantwortung. Er kramt seine Brille hervor und beginnt zu lesen… Das Leben ist grausam, denke ich.

im ICE nach Flughafen FFM

  1. Der Zug ist nicht nur zu spät, sondern auch total überfüllt. Keine Chance, mit Gepäck in den reservierten Lufthansa-Wagen zu gelangen.
  2. Stehend zwischen zwei Waggons, an der Glasscheibe zum Abteil. Festgekeilt zwischen Gepäck und anderen Menschen. Da darf man keine Hemmungen haben, denke ich mir.
  3. Das Pärchen, das vor mir auf dem Boden auf ihren Trekking-Jacken sitzt, spricht während der Fahrt kein einziges Wort. Sie sehen sich nichtmal an.
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Produktmanagement in der Praxis
DAS ist die Realität! -Und dafür hab ich mal studiert ;)

Ich habe vor einiger Zeit bei einem Contest auf Kwerfeldein, dem sagenhaft guten Digitalfotografie-Blog von Martin Gommel, mitgemacht. In dem Contest ging es um den entscheidenden Moment (persönlich oder technisch) in der Fotografie. Ich hab das dort so dargestellt:

Viele “entscheidende Momente” in der Photographie stehen schon hier. Der entscheidenste Moment für mich allerdings war der Erwerb meiner ersten digitalen Kamera.
Warum? -Ganz einfach: Ab diesem Tage gab es nur noch den vollen Speicherchip oder leeren Akku als natürliche, knappe Ressourcen bei der Ausübung von etwas, das ich heute als eines meiner wichtigsten Hobbies bezeichne. Zu Schul- und Studiumszeiten, wo Geld leider kein nachwachsender Rohstoff ist, habe ich sicher viel zu viele Bilder NICHT gemacht. Die Digitalfotografie hat in diesem Punkt meine Welt für immer verändert: Heute fotografiere ich was ich will, wo ich will und vor allem so oft ich will. Denn ich entscheide, wie oft ich ein Bild vor Ort mache bis es so ist, wie ich es will, und nicht mehr mein Geldbeutel. Der “entscheidende Moment” ist also die Freiheit – und Freiheit dürfte für künstlerisches Schaffen das wichtigste sein.

Der entscheidende MomentGroße Worte, ich weiß. Aber so ist es halt. Tja, und vor einigen Tagen erreichte mich die Nachricht, daß ich gewonnen habe. Ich erinnerte mich schon gar nicht mehr genau daran, denn Alex schickt mir jede Woche mindestens einen Tipp, wo gerade mal wieder grell teure, aber supergute Fachbücher zum Thema Webdesign, Kommunikation oder eben Fotografie verlost werden. Da kann man schon den Überblick verlieren. Umso mehr hat es mich gefreut und echt vom Stuhl gehauen, daß ich dieses affengeile Buch von Joe McNally gewonnen habe, das im Original-Titel „The moment it clicks“ heißt, und überall nur extrem gute Kritiken geholt hat. Freu mich schon drauf, damit mein Photoblog wieder mehr hochwertiges Futter bekommt!

Handlungsbedarf?

Eben kommt über den ganz großen Verteiler folgende Eilmeldung von unserem Aufsichtsratsvorsitzenden, Allein-Aktionär und Besitzer meines Bürostuhles reingeflogen:

Mitte 2009 verkürzt sich die Fahrt von Köln nach Paris um 40 Minuten auf 3,10 Std., nach Brüssel auf 1,40 Std. Bis Oktober 2008 werden alle Züge mit Internet-Zugang und in 2009 mit neuem Interieur ausgestattet.

Hilfe – was muß ich jetzt tun?

Wie lieb! Da schreibt mir meine Mutter heute morgen eine E-Mail:

Hast Du auch schon TRA? -Dann lies bei von Hirschhausen nach: Technology Related Anger – eine klinische Diagnose, jedoch in Deutschland nicht anerkannte Berufskrankheit. Wer über 30 Std. in der Woche vor dem Computer hockt, übt in den meisten Fällen auch Gewalt gegen sein Gerät aus. (Allein 30% habe sich schon an der Maus vergriffen…)

Die Leber wächst mit ihren Aufgaben, Eckart von HirschhausenGut, was soll ich sagen? -Leugnen hilft nicht. Über die Jahre hat tatsächlich bei mir das eine oder andere Equipment dran glauben müssen. Ich schätze, daß auf grausamste Art und Weise so nicht weniger als 2 Mäuse, 3 Tastaturen und ein Faxgerät den frühzeitigen, gewaltsamen Exodus erfahren mußten und die eine oder andere Tischkante mißhandelt wurde. Ach ja, meinem alten Panasonic Röhrenmonitor hab ich mal sowas von eine geballert, daß das Gehäuse an der Stelle des Einschlages gerissen war. Hat dem Gerät aber nicht geschadet, denn der war eh total unverwüstlich.

Anders die Mäuse, die -damals wegen Schnurgebundenheit- noch im rechten Winkel aus kurzer Distanz nach vorne an die Wand geworfen werden mußten und dort in 1000 Brocken zerschellten. Tastaturen richtet der TRA-Patient für gewöhnlich durch mehrmaliges, extrem aggressives Schlagen mit der Faust hin. Anstelle von Blut spritzen dann die Tasten nur so durch die Gegend. Die eine Tastatur überlebt sowas, die andere nicht. Interessant dabei war die Feststellung, daß hier der Preis der Tastatur gar keine Rolle spielt.

Aber das war einmal. Ich habe davon Abstand genommen, mich so zu verhalten. Zu hause sorgten diese Ausbrüche bei der Herzdame damals mehrfach mindestens für breite Irritation bis hin zur Flucht aus der Wohnung. Aber auch auf der Arbeit kommt es einfach nicht gut, wenn man mit Getöse Firmeneigentum (aka Anlagevermögen) zerstört, weswegen mir in den fast drei Jahren bei dieser Firma die Faust nur ein paar wenige Male mit Schwung auf die Tischplatte gefallen ist. Noch dazu geht es einfach ins Geld, wenn man sich einfach so mal ne neue Tastatur rauslassen muß.

Aus der Analyse meiner selbst habe ich gelernt, daß in den meisten Fällen immer einiges zusammenkam, was dann für diese spontanen Sicherungs-Rausflieger gesorgt hat:

  • Hektik: Mal eben schnell-schnell was machen wollen, was eigentlich Sorgfalt und Konzentration verlangt
  • Stimmung: grundlegende Stimmung, latenter Frust, Genervtsein, gar Panik ist gaaanz schlecht bei sowas
  • Inkompetenz: einfach sich nicht eingestehen wollen, daß man keine Ahnung hat, von dem, was man da vorhat
  • Ungeduld: gehört ein wenig zu Hektik, sorgt aber im Endeffekt mit der Schippe Wut für den Ausraster, wenn sie mit Inkompetenz gepaart auftritt

Interessant ist ja bloß, das das jetzt eine Krankheit ist. Manchmal hab ich das Gefühl, wir sind unser ganzes Leben lang von total schlimmen Krankheiten und Defekten heimgesucht und wissen es nichtmal! Welch grausame Vorstellung! So ging das mit Legasthenie („der kann nicht schreiben“), Lernschwäche („faule Sau“), RSI („Schmerzen im Arm“), ADS („Klassenclown“) und jetzt mit TRA („Tobsucht“).

Aber ich bin nicht allein mit TRA, das beruhigt:

Dark Wave Girl

Die Jogging-Tight, die Du heute tr?gst, ist zwar fast komplett schwarz, aber trotzdem hat es Dich gest?rt, da? Nike einen ganz schmalen, t?rkisfarbenen, reflektierenden Streifen an die Seite gen?ht hat, was? Das wird aber durch das Cannibal Corpse T-Shirt mehr als kompensiert. Nee echt, sei Dir sicher, das Motiv ist so morbide, da f?llt der Reflexstreifen keinem mehr auf. Letzte Woche hattest Du das rote Marilyn Manson Shirt an, das stand Dir irgendwie besser. Nee, wirklich, das unterstreicht Deinen Typ. Bist ja eh nicht sooo ne Typische. Also Szene-Girl schon, aber so vom ?u?eren her eben nicht gerade als Gruft geboren. Ach komm, sei nicht gleich eingeschnappt, ich sag ja nicht, da? Du ne Pseudo bist, aber langes, blondes Haar ist eben was anderes als pechschwarze Vogelnestfrisur. Verstehste jetzt, was ich gemeint habe? Und die krassesten Schwarzen, die ICH damals kannte, waren auch eher klein, nicht so wie Du um die einsachtzig. Ja, kenn mich aus, hab auch mal fr?her, ja nee, echt jetzt, is aber schon l?nger her. Aber wirklich, krasse Haare. L??te die absichtlich franselig schneiden und erz?hlst jedem, da? Du nieee zum Fris?r gehst? Ja nee, is klar, wollte Dir nicht zu nahe treten. Und der Kayal? Ist der wasserfest? Na h?rmal, hier total pseudo-m??ig in der Muckibude zu Plastik-Housemusik die Gr?ten stretchen, aber dabei ohne Aquarell-Effekt konstant m?rder-d?ster aus der W?sche gucken? -Siehst echt ganz sch?n finster aus, so mit den dunklen Augen, und nicht zu vergessen das Piercing in der Unterlippe. Hey, sollte nen Kompliment werden. Nur Honey, ganz ehrlich, das billige Arschgeweih geht gar nicht, oder? Wei?te selbst, gut. Du erinnerst mich irgendwie an wen. Ausm Fernsehen? Oder von ner Band? Model biste aber nicht, oder? Ey mal langsam, sollte kein dummer Spruch werden, bleib locker. Unversch?mt, wieso denn das?

Als Du aus der Umkleide kommst, bist Du wieder in Deiner Tracht: schwarzer, langer Armeemantel, schwarze Jeans, schwarze Docs, schwarzer Schal. F?hlst Dich sicherer als in dem bunten Sportdress, (ja ?berhaupt, warum gibt es Turnschuhe in Deiner Gr??e nicht in schwarz?) – Du erinnerst mich echt an jemanden. Nee, ich habs! Du siehst aus wie die Sally aus „Nightmare before Christmas“! Die langen Haare, der glatte Mittelscheitel, die gro?en Augen, der Blick so von unten herauf, dann wieder von oben herunter, irgendwas zwischen wicked und K?hlschrank. Na Dein Freund is ja nen ganz Harter, was? Oje, dann noch einen sch?nen Abend, kleines Dark-Wave-Girl.

Kampf der Kulturen

Noch 5einhalb Stunden sind es bis Miami, und offen gestanden m?chte man angesichts des durchaus als „w?rzig“ zu subsummierenden Geruches in der von meiner Lieblings-Airline betriebenen Boeing 747 am liebsten nur noch in einen komat?sen Schlaf fallen oder aber sich mehr von der edlen Brause oder dem vergorenen Traubensaft aus der Boardk?che holen. Kommt auf’s gleiche raus: Ausschalten oder zumindest Dimmen der Wahrnehmungsreize.
Eine geschlagene Stunde hat es gedauert, bis endlich jeder seinen Platz hatte. Etwas befremdlich ist das schon, denn meine Platznummer haben die von der Lufthansa mit beim Einchecken freundlicherweise gleich mit aufs Ticket gedruckt – die ahnten wohl, da? ich lieber am Schalter ?ber meinen Sitzplatz verhandle als an Board. Da wurde munter umdisponiert, als ginge es um Hotelzimmer oder das Erbteil. „Ja aber mein Mann sitzt jetzt da hinten“, „Ich habe einen Gangplatz gebucht!“, „Nein, ich stehe hier ?berhaupt nicht mehr auf!“, „Es zieht hier so“, „Haben Sie noch einen Notausgang?“ -und dazwischen die Herren und Damen in der Uniform mit dem Kranich, mit Engelsgeduld „Macht es Ihnen etwas aus, wenn…?“ Ja, offensichtlich macht es den meisten sehr wohl etwas aus. Da treffen die Kulturen aufeinander. Keine 10 min sitze ich in diesem Flieger und schon habe ich mindestens f?nf Sprachen geh?rt.
Da ist Rodriguez (ich habe nat?rlich keine Ahnung wie der Mann hei?t, er ist jedenfalls totsicher ein Hispanic). Der hat den iPod auf den Ohren und wohl f?r den langen Flug extra seine pers?nlichen Greatest Hits draufgepackt. Jedenfalls intoniert er v?llig unbeeindruckt von den anderen 100 Passagieren in unserem Kabinenabschnitt „ohhhh Mariaaaa, Mariaaaaa….“ – mu? ja ne ganz dolle sein, denn entweder hat er den Player auf Dauerwiederholung und jedes Lied handelt von Maria. Der spricht also Spanisch. Und Englisch, wie er seinem Sitznachbarn, der eigentlich nur versucht, seine Computerzeitung zu lesen, eindrucksvoll in kurzweiligen Plaudereien zu demonstrieren versucht. Er geizt dabei nicht mit K?rpersprache, schlie?lich ist man auf 10300m und mit nur 10cm Schwei?dr?senabstand quasi Familie.
Vorne sitzt eine asiatische Mutter mit asiatischen Kindern. Die schlafen, was es nicht besser macht, da? mir beim ?ffnen des Zeitungsfaches ?ber ihnen die ganze Wochenauslage frischer Hochglanzmagazine entgegenkommt und unsanft auf ihrer Famile niederprasselt. Ich entschuldige mich h?flich, schlie?lich ist es mir saupeinlich, da? gerade die GQ, das schwerste und am solidesten gebundene Magazin, ihrem J?ngsten mit der Bindekante auf den Kopf gefallen ist. Hilft nix, da mu? er durch, und ihren Schimpfanfall auf einer Sprache, von der ich sicher nichtmal geh?rt habe, kann daran auch nichts mehr ?ndern. Von wegen, Asiaten seien so tempered. Bei den Bambini h?rt es wohl auf. Italiener sitzen schr?g vor mir, haben Rastas respektive verfilzte Haare, sind unrasiert respektive ungewaschen und schlafen. Das „wie immer“ verkneife ich mir jetzt nicht, denn wann immer ich junge Italiener reisen sehe, sehen die genau so aus: verlottert, verzottelt und garantiert noch nicht unterm Wasser gewesen heute.
Vor mir sitzt ein Finne mit seiner Frau. Wir m?gen uns ab Sekunde eins schon nicht. Sowas gibts: Da steht man in der Security und hat nur einen Gedanken: Hoffentlich sitzt das Arschloch nicht neben mir! Tut er nicht, super, daf?r sitzt er vor mir. Und da kann er mich noch viel besser ?rgern. Hat wie ich sein Notebook offen und werkelt an einem Text, der sehr viele Jahreszalen enth?lt. Wie gesagt, ich halte ihn f?r einen Arsch, denn er stopft dauernd seine Decke und sein Kissen unter seinen Sitz, also zu meinen F??en. St?rt ihn gar nicht, findet er wohl normal. Gut, soll er sie haben, die Limburger! Er fliegt ?brigens mit permanent nach hinten geklapptem Sitz. Das sorgt daf?r, da? ich kaum aus meinem Sitz rauskomme, geschweigedenn meinen Text auf dem Bildschirm lesen kann, denn die Tastatur habe ich fast am Kinn. Also jetzt ?bertrieben gesprochen, aber so ?hnlich. Kann ich was daf?r, da? seine Frau 10 Jahre ?lter aussieht als er? Warum l??t er das an mir aus? Weil dieses Brett von Model-Italo-Spanierin mich beim Reinkommen angeschaut hat, w?hrend sie ihre Sitznummer gesucht hat? Immerhin war ich es nicht, der besagter Hammerfrau eine gef?hlte halbe Stunde auf den Arsch geschaut hat!
Ein Hammer ist auch das Paar neben mir. Warum hab ich immer so ein Pech? Letztes Mal das Ehepaar, das mich mit Keksen gef?ttert hat und ?ber die ich aus Faulheit vergessen habe zu schreiben. Er Marke Erdkunde-Lehrer, in Sandalen mit Socken, stilsicher kombiniert mit Trekking-Hose und Angler-Weste, dazu eine historische No-Name Japan-Kamera, wahrscheinlich ein Vorkriegsmodell, seit anderthalb Generationen in Famlienbesitz, verpackt und zuhause in einer soliden Ledertasche, an der ein ebenso solides Taschen-Stativ baumelt. Die Kamera wird sogar vor meinen Augen eingesetzt, mit einer 50mm Standard-Optik ans beschlagene und gefrostete Flugzeugfenster gehalten, um Impressionen von New York bei Nacht auf Film zu bannen. Blende richtig eingestellt? -Dann los, klick, noch eins zur Sicherheit, klick , „brauch man eigentlich ja nicht, die Kamera macht heute noch immer Spitzenbilder, auch ohne digital!“ unkt er mich an, als ich gerade mein Handgep?ck sortiere und er meine 350D ersp?ht. ‚Ja nee, is klar, und zwei Fotos m?ssen auch echt reichen, dann ist nach 3 Wochen New York endlich der 36er Film voll. Komm, nimm lieber noch ein Pl?tzchen von deiner Mutti, die wird sonst noch fetter.‘
Aber zur?ck zu meinen aktuellen Nachbarn. Unschlagbar, was mir da wieder das Schicksal (oder die Lufthansa aus reiner Bosheit?) hingepflanzt hat. Beide um die 70 und aus Ru?land. Herzlichen Gl?ckwunsch, das ist bei allem, was hier aus freiem Willen an Board gekommen ist, echt der Hauptgewinn. Kein Wort Deutsch sprechen die beiden, ganz zu schweigen von Englisch. Das stecke ich der total perplexen Stewardess, als die n?mlich ihr Curry-H?hnchen oder die Rindsroulade nicht an die beiden loswurde. Ich vermittle, weil ich ja nunmal so ein lieber Kerl mit Helferkomplex bin und hoffe, da? ihnen die Rouladen genauso gut geschmeckt haben wie mir. Zwischen Donauwewllen und Einreiseformular nimmt die Dame, deren Figur am besten mit „breit wie hoch“ umschrieben werden kann, offensiv Kontakt auf. Nach einer Weile des Aufmicheinredens auf Russisch verstehe ich sie sogar – soweit man das nach einem Lufthansa Gin Tonic und 5 Rotwein sagen kann. Sie fragt mich, ob ich Kinder habe, verheiratet bin, beklagt den Sitzabstand und das Fernsehprogramm (welches sie aus Versehen heute nicht auf Russisch ausstrahlen…), und kommt schlie?lich zur Sache und fragt, ob ich Deutscher sei. Ich bejahe auf Gutgl?ck („Da“) und die beiden freuen sich wie Pl?tzchen. Entweder haben sie mich gefragt, ob ich sie in Miami durch die Stadt f?hre oder -und das ist beinahe wahrscheinlicher- freuen sie sich wirklich. Als Deutscher erh?lt man glaube ich eher selten solche Reaktionen von Russen der Kriegsgenetation. Und w?hrend ich mir schon deren Kopf zerbreche, wie diese beiden wohl ?berhaupt die Einreise in den Sonnenstaat schaffen werden, r?cken sie mit der Sprache raus, l?ften endlich das Geheimnis: Sie sind auch Deutsche, eigentlich jedenfalls, und ihre Eltern haben Deutsch in der Schule gelernt, aber sie nicht mehr. -All dies bilde ich mir zumindest ein. Es ist durchaus m?glich, da? der Rotwein sein ?briges dazu getan hat, aber ich habe es bewu?t vermieden, meine aus 3 W?rtern bestehende Polnisch-Kenntnisse an den beiden auszuprobieren („is ja fast wie russisch!“). Gleichzeitig setze ich f?r alle Eventualit?ten des R?ckflugs auf die Todo-Liste, mich wieder daran zu erinnern, was „ich spreche kein Polnisch“ hei?t. Wo die Oper ist, brauche ich jedenfalls sicher niemanden fragen. Wie konnte ich nur so derma?en unvorbereitet auf Reisen gehen?!

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Ab in den S?den

Halb 6 auf der Autobahn, gewohntes Bild auf der A61: Ein gelbes Nummernschild nach dem anderen. Alle wollen Sie dahin, wo wir bis eben auch noch hinwollten. Resentiments beiseite, ist ja Urlaub, Holl?nder sind eben auch nur Menschen. Zwar solche, die mit ihren Fahrzeugen, meist v?llig ?berladen und bis an den Rand des Zumutbaren nicht mit Winterausr?stung ausgestattet, aber gut. Doch irgendwann is genug, is einfach mal Schlu? mit der ewigen V?lkerverst?ndigung, dem gelebten Europa ohne Grenzen, denn meine Br?der aus der Nachbarschaft beginnen mir bereits nach km 7 mit ihrem Fahrstil geh?rig auf den Zeiger zu gehen. Xenon im R?ckspiegel, ich mache dem Tiefflieger mit Bonner Kennzeichen schnell mal Platz, aber ein holl?ndischer Familienpappa hat wohl den Ernst der Lage nicht sofort begriffen und setzt zum ?berholen eines Landsmannes an. Der Nachthimmel wird kurz glockenell erleuchtet, zweimal kurz hintereinander blitzt das Xenon-Fernlicht des BMW auf, der linke Blinker wird gesetzt und der Lenker des Familenkombis hat noch eben gef?hlte 2ms Zeit, seine Sippe in Sicherheit zu bringen. Also gut, der Krieg ist er?ffnet, ich setze mich wieder auf die linke Spur und schiebe alles mit gelbem Nummernschild von der Bahn, was mir vor den nicht vorhandenen Bullf?nger kriecht. Deutschland – Holland, und zwar in der dritten Halbzeit wird hier nachgespielt.
Zur Blauen Stunde lasse ich das Hunsr?ck hinter mir, im Radio spielt SWR3 just dazu Summer Wine. G?nsehaut und kein Zweifel, on the Road again. Fast allein auf der Autobahn, die holl?ndische Prozession habe ich schon vor km hinter mir gelassen.
Stunden sp?ter und reichlich Nerven ?rmer, f?hren in der N?he von F?ssen auf einmal fast alle Wege zu den „K?nigsschl?ssern“, den Lust- und Romantikbuden von K?nig Ludwig von Bayern. Neuschwanstein, pl?tzlich steht es vor mir, nat?rlich im vollen Gegenlicht, soda? kein Foto m?glich ist. Man braucht dann nur den ganzen Japanern zu folgen. Oder noch besser denjenigen, die offenbar noch nicht mitbekommen haben, da? ein „P1″ am Ortsrand immer den am weitesten zur Sehensw?rdigkeit entfernten Parkplatz bezeichnet, worauf in aller Regel noch P2 bis P5 folgen. In Hohenschwangau trifft man sie dann alle wieder. Japanische Japaner mit japanischen Kameras fotografieren wie die Weltmeister jeden Stein, bannen so die gesamte Bayerische Kitscharchitektur auf Film Chip. Wenn das Fotografieren Geb?ude abnutzen k?nnte, st?nde da kein Stein mehr auf dem anderen. Ich hab darum auf meinen tourischtischen Obulus verzichtet und nur Schlo? Hochenschwangau abgelichtet, es sah einfach sch?ner aus als das Postkartenmotiv auf der anderen Seite des Berges.
Ein paar Kilometer weiter hat das Elend wieder sein bekanntes Gesicht. Im Stau sind alle gleich. Erstmal, zumindest. Wer sich da abheben will, der kann sich 1,50m neben der Stra?e ins kn?chelhohe Geb?sch schlagen und den hellen Holzzaun nach Herzenslust kreativ bepinkeln. Sieht ja schlie?lich keiner. Kennzeichencheck? -Klar, gelb-schwarz.
Pa?stra?en fahren ist nicht einfach, und in L?ndern, wo es keine Erhebungen ?ber 120m gibt, mu? man es auch nicht gewohnt sein, die Bremse gegen die Hangabtriebskraft einsetzen zu k?nnen. F?hrt man allerdings gern nach ?sterreich zum Skifahren, kann es Sinn machen, sich die einfachen Regeln des Fahrens im Gebirge zu eigen zu machen. Wir erinnern uns: M?glichst gleichm??ig ohne viel zu schalten bergauf, dann im selben Gang die Bremskraft des Motors ausnutzend wieder hinunter. Schont den Motor, die Bremsen, und die Nerven all derer, die kein schwarz-gelbes Nummernschild haben. Doch da wird bergauf geschoben und gedr?ngelt, zum ?berholen angesetzt, um dann festzustellen, da? die PS-Leistung nur in L?ndern, die unter dem Meeresspiegel liegen, reicht. Bergab wird dann das ganze Grauen deutlich: Da wird dank des Kennzeichens der Polo pl?tzlich zum 40-Tonner, besonders dann, wenn es mit Serpentinen nach unten geht. Immer sch?n weit ausholen, damit die ungebremste -im Winter nicht vorhandene- Anh?ngelast auch noch mit rumkommt. Schei? auf den Gegenverkehr, hier bin ich Mensch, hier will ich sein! ?brigens das Grundmotiv der Batavier, wie bereits an zahlreichen anderen Stellen dieses Blogs zu lesen…
Ich seh sie schon vor mir, auf der Piste: Voll mit Heineken und J?germeister (?brigens das einzige wirklich akzeptierte ur-deutsche Getr?nk jenseits der Maas) stochern sie sich gewohnt charmant und zur?ckhaltend talw?rts, sitzen nicht mitten auf der Piste und warten auf die anderen, stehen nicht dumm am Lift im Weg und treten einem nicht auf die Ski. Erfrischend, auch mal andere Holl?nder in der Gondel zu belauschen, die sich zwar philosophisch einer ganz zentralen Frage des Landes n?hern, aber schlie?lich ist ja der Weg das Ziel. Sie befinden, da? Holland ja an sich sch?n ist, es aber noch sch?ner w?re, wenn man Gebirge und -gaaanz wichtig- Gletscher h?tte. Aber nicht zu viele, wegen weil kein Platz. Ja nee Jongens, is klar: Vorm Haus den Strand und im Garten die Berge.

?ber den Wolken

Ich habe noch nie von ?ber den Wolken gebloggt. Wahnsinn, ich liebe die Lufthansa! Sie ist die wahre K?nigin unter den Airlines, und das liegt nicht daran, da? das Goulasch in 10km H?he hier fast so gut schmeckt wie das, was Omi unten auf 100m ?NN zubereitet. Ich k?nnte glatt zum Fan dieser Fluggesellschaft werden, denn nicht nur hab ich bisher in der Luft noch nirgends besser gegessen als hier, nein, auch wird nirgends der erstklassige Gin mit weniger Tonic verd?nnt. Nirgendwo schmecken die Brownies mit Kirschen besser, kein anderer Cabernet aus der 1.5 Liter Flasche schmeckt s?ffiger, nirgends hab ich die Auswahl aus sovielen Zeitschriften (darunter auch Herrenmagazine). Es ist nicht wirklich der Bailey’s auf Eis, der stilvoll nach einem leckeren Mahl gereicht wird, es ist eben das Gesamtpaket, das hier den Sieg holt.
Es geht nicht darum, da? die Stewardess irgendwie globschl?chtig anmutet, es geht darum, wieviel Wein sie mir bereitwillig erst zwischen Schottland und den F?r?ern und dann zwischen Island und Gr?nland in mein edles Kunststoffglas f?llt. Auch, da? ich meinen wunderbaren Kartoffelbrei nicht mit einem darin schmelzenden Platikbesteck essen mu?, sondern mit der Lufthansa-Edition von WMF, gibt hier den Ausschlag. Und irgendwie st?rt es auf einmal gar nicht mehr, da? mir die Lufthansa ein komplett grottiges Unterhaltungsprogramm anbietet, wenn ich mit meinem Sitznachbarn nach dem 4. Wein auch so eine Menge Spa? haben kann. Sowas geht aber auch nur in Deutschland, oder besser auf deutschen Fl?gen, denn in den Ami-Maschinen trinken sich ein paar Kumpels ein paar Bier und schon ist die Stimmung nachhaltig im Arsch. Vermutlich, weil sie die einzigen waren, auf halber Strecke die Kasse am Limit ist – ein kleines Bier kostet immerhin stolze 5 Dollar – oder der gut ausgebildete Sky-Marshall nunmal keinen Spa? versteht. Oder eben alles zusammen.
Nachdem ersten Essen sind es nur noch 6 Stunden bis nach Denver. Mittlerweile habe ich aufgegeben, mich immer neu in das angeblich dauernd vorhandene WLAN einzubuchen und speichere mein Geschreibsel in einer schn?den txt-Datei, da wei? man wenigstens, was man hat. Mein Sitznachbar fliegt zum Skifahren nach Denver. Er ist Italiener, hat also jenseits der Alpen diesen Winter bislang nur von Schnee geh?rt aber noch keinen gesehen, also auf in die Rockies. Mache ich sicher auch, sobald das Kleingeld daf?r stimmt. Ich g?nn’s ihm also, er quatscht mich 1 Stunde voll, wie toll da der Schnee ist und klar, es sei schon crazy f?r 4 Tage Skifahren nach Denver zu fliegen, aber what the f**k, man lebt ja nur einmal, ist es nicht so?! -Was soll man darauf sagen? Die Wahrheit am besten. N?mlich, da? ich f?r einen Business-Trip nach Las Vegas fliegen MUSS. Da schluckt er, wir prosten uns zu, auf die Gemeinheiten des Lebens und ?berhaupt, und wir setzen die Kopfh?rer auf, denn es folgt endlich der cineastische H?hepunkt der Reise.

Geschrieben am 5.12.2006, irgendwo nahe des Polarkreises, auf dem Laptop verloren, wiedergefunden, heute fertiggeschrieben und gebloggt.

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