Wie Der Spiegel hier schreibt, hat der Reifenhersteller Michelin eine Studie durchgef?hrt, die thematisch das Thema meiner Diplomarbeit streift. Die Frage lautete: „Welcher Reifentyp sind Sie?“. Die Studie bringt f?nf scheinbar unterschiedliche Gruppen von Reifenk?ufern hervor, verfehlt aber im Kern den Bezug auf den Grad der Beeinflu?barkeit der unterschiedlichen K?ufer. Es scheint, als n?hme man bei Michelin an, mit klassischem Marketing allein k?nne man neue K?ufer gewinnen. Ich meine, da? es so einfach nicht ist!
Zun?chst ist nichts an der Kategorisierung auszusetzen. Die Gruppe der „aufgekl?rten K?ufer“ spiegelt sicherlich die Realit?t einer K?uferschicht wider, die eine rational-intelligente Strategie bei der Kaufentscheidung verfolgt. Da? diese K?ufer 37% der Kundschaft im Reifenmarkt stellen, verwundert allerdings ein wenig, wenn man bedenkt, da? Reifen zwar ein hoch-technologisches Produkt sind, aber in aller Regel als sog. Erfahrungsgut gehandhabt werden, also als solches, das man erst selbst ausprobiert haben mu?, um urteilen zu k?nnen. Demnach sollten eigentlich auch die Karten immer neu gemischt werden, wenn ein neues Modell auf den Markt kommt. Der aufgekl?rte K?ufer wei? in so einem Fall, da? ihm Testberichte bei seiner Entscheidung ma?geblich helfen k?nnen und informiert sich entsprechend im Vorfeld.
Demgegen?ber stellen die „Ratsuchenden“ mit 23% die zweitgr??te Gruppe. Im Prinzip sind das die Reifen-n00bs, oder aber -positiver gesagt- die, die kein Verst?dnis von oder Interesse an den technischen Grundwerten eines Pneus haben. Meist scheitern auch diese Menschen an Gr??en- und Typbezeichnungen, wissen nichts vom Load-Index und auch nicht, wo sie im KfZ-Schein danach suchen m?ssen. Mit anderen Worten, sie sind auf Beratung im weitesten Sinne angewiesen. -Ideale Prototyp-Opfer f?r das Marketing also!
Eine etwas komplexere Gruppe sind die „Smart Shoppers“, die ihrerseits jeden f?nften Reifenk?ufer stellen. In diese Gruppe fallen alle Schn?ppchenj?ger und Ebay-Scharfsch?tzen. Sie wissen immer, wo sie weit unter dem ?blichen Preis einkaufen k?nnen. Meistens kaufen sie deshalb antizyklisch, um schon die g?nstigsten Winterreifen im Keller zu haben, w?hrend andere sich mit dem Aufblasen der Luftmatratze und der Wahl der richtigen Sonnenmilch besch?ftigen. Wenn diese Gruppe Konsumenten einmal nicht wissen, wo und wie sie am besten ein Sch?ppchen machen, wissen sie zumindest, wen sie dazu fragen m?ssen.
Nicht minder interessant sind die „Safety Warriors“, obwohl sie die eigentlichen Langeweiler sind. Diese Menschen -immerhin 11%- gehen deshalb immer auf ‚Nummer sicher‘, weil sie weder etwas neues ausprobieren, sprich, einem neuen Hersteller oder einem neuen Reifen eine Chance geben, noch gewillt sind, mit ihrer Kaufentscheidung irgendwelche anderen Risiken einzugehen. Ihnen ist das Image etwas wert, und Testberichte interessieren nur dann, wenn der Testsieger von der eigenen ?berzeugung abweicht. Diese Menschen gehen zu ihrem H?ndler, der ihnen erz?hlt, was sie h?ren wollen, und kaufen schlie?lich auch bei ihm.
Die h?rtesten N?sse f?rs Marketing sind die „Brand Advocates“, ganz einfach weil sie eigentlich immer die selbe Marke kaufen. Das Denkschema ist mindestens als einfach zu bezeichnen, man k?nnte sogar von stark eingefahren oder extrem routiniert sprechen. Wohingegen einem aufgekl?rten oder smarten K?ufer klar ist, da? auch ein Reifenhersteller qualitativen Fluktuationen unterliegen kann, und darum nicht zwangsl?ufig der beste Hersteller von vor 20 Jahren auch heute noch die Nummer eins ist, pfeift der Brand Advocate auf solche Argumente und setz auf das, was sich bew?hrt hat. Immerhin 9% der Reifenk?ufer passen auf diesen Typus.
Nun, wo hinkt diese Typologie? Meiner Einsch?tzung nach ist es fragw?rdig, ob die Methoden des klassischen Marketings anwendbar sind, um Kunden aus den verschiedenen Gruppen f?r sich zu gewinnen. Dabei gilt es, das Augenmerk auf zwei Dimensionen zu richten: Preis und Qualit?t.
F?r den Brand Advocate wird der Preis eine eher untergeordnete Rolle spielen, auch wird er nicht versuchen, irgendwo ein Schn?ppchen zu machen. Er hat seinen H?ndler und f?hlt sich dort mit dem von ihm als qualitativ hochwertig empfundenen Reifen gut bedient und basta. ?hnlich ergeht es dem Safety Warrior, der danach strebt, das beste f?r sein Geld zu erhalten. Die anderen drei K?ufergruppen anzusprechen, ist relativ einfacher: Aufgekl?rte K?ufer wissen, worauf sie achten m?ssen, also bereite man die Information richtig auf; Smart Shopper suchen im Zusammenspiel von Preis und Qualit?t das Optimum, n?mlich das Schn?ppchen (Q=opt bei P=min) und verwenden dabei eine Vielzahl von Kan?len zur Informationsbeschaffung; und Ratsuchenden mu? man eigentlich nur erz?hlen, da? sie mit einem bestimmten Produkt das Richtige tun.
Das Internet erweist sich in den geschilderten F?llen als sehr hilfreich, ja gar essentiell. Lassen wir f?r den Moment au?er Acht, da? jemand zuerst einmal Zugang zum Netz erlangen mu?, bieten sich Online Communities einmal mehr an, um die verschiedenen Gruppen gezielt anzusprechen. Zwei generelle strategischen Vorgehensweisen stehen zur Verf?gung: defensiv und offensiv. Der defensive Ansatz beinhaltet, da? ein Reifenhersteller aufmerksam verfolgt, was im Internet ?ber seine Reifen geschrieben wird, und daraus seine Schl?sse zieht. Denn was hilft eine Typisierung der potenziellen Kundschaft, wenn ich die tats?chliche nicht kenne? So wird au?erdem deutlich, warum „Ratsuchende“ meine Produkte pl?tzlich nicht mehr kaufen, ist doch bei dieser Gruppe das Beeinflussungspotenzial besonders hoch. Auch und besonders finden Smart Shopper ?ber diese Kan?le ihre Schn?ppchen und lernen aus Erfahrungen anderer, welcher Reifen ?berhaupt ein solches ist. Auch der aufgekl?rte K?ufer, der verschiedenste Quellen zur Meinungsbildung in der Vorkaufsphase heranzieht, wird fr?her oder sp?ter auf das Internet sto?en. Was f?r Digitalkamera und Urlaubsresort gut ist, kann f?r Reifen ja eigentlich auch nicht schlecht sein: Preis- und Meinugsseiten im Internet. Gerade unsere Safety Warriors und die Ratsuchenden d?rften darauf sehr einsteigen, sind sie es doch, denen viel an der Wahl des „richtigen“ Reifens liegt.
Wer lieber richtig offensiv vorgehen will, der sieht zu, da? er selbst bestimmt, was die Wahrheit ist! Durch gezieltes Platzieren von sogenannten Opinion-Leaders, also Meinungsf?hrern, die sich als „Fellow Consumer“ ausgeben, aber ganz bewu?t nur die Informationen verbreiten, die die Firma vorgibt, l??t sich so manche harte Nu? knacken. Voraussetzung ist allerdings, da? man unerkannt bleibt, sonst kommt zum Auffliegen des Schwindels auch noch ein richtig schlechter Nachgeschmack im Mund des Kunden dazu, und das wird ja keiner wollen.
Klingt alles ein bi?chen so, als lie?e sich die Typologie doch noch gut verwenden. Die gro?e Schwierigkeit d?rfte aber bei Hybrid-Kunden liegen, oder solchen, die mal so und mal anders kaufen. Oder auch: Sind Brand Advocates wirklich solch harte N?sse? -Was passiert, wenn die sich ein neues Auto kaufen, auf dem werkseitig andere Reifen montiert sind, die -oh Wunder!- auch super sind. Kauft dieser super-loyale Kunde beim n?chsten Mal anders? Und die aufgekl?rten, die das Internet aber als Schn?ppchenparadies entdeckt haben und ratsuchend die Erfahrungen anderer suchen, wie passen die dann ins Bild?