Mit „Willkommen im Leben“ hat neulich ein Freund seine Antwortmail auf mein Wehklagen ?ber die T?cken und Fallstricke, Entt?uscher und Aufreger, und Absagen und Nichtbeachtungen im ganz normalen Bewerbungswahnsinn begonnen. Da? er damit zweifelsohne vollkommen Recht hat, mu? ich mir zwar immerwieder vor Augen f?hren (lassen), aber so ganz wahrhaben will man die Dinge ja nie. Vor allem nicht dann, wenn man auf einmal an einem Punkt angekommen ist, wo man sich w?nscht, einfach morgens mal aufzuwachen und einen Job zu haben, den man schon einige Monate macht. Alle, die sagen, Bewerben und Jobsuchen sei doch super-spannend, die l?gen. Das ist reine Nervensache, so schaut’s aus!
Hintergrund ist ja der, da? sich erstmal seit x Wochen gar nichts getan hat. Du schickst dauernd was raus, und erst kommt nichts zur?ck, und dann alles auf einmal, aber als Absage. Und wieder von vorn das Spielchen. Man neigt dann dazu, v?llig irrational zu werden und sich zu w?nschen, da? doch wenigstens einer mal anruft und einem zum Gespr?ch laden will. Man w?rde sich dann dort schon gut genug verkaufen, da? die einen schlie?lich nehmen m?ssen. ‚Die k?nnen ja quasi gar nicht mehr anders!‘ Alles Bullshit.
Da war ich doch vor ner guten Woche in der Medienagentur in D?sseldorf. Ich kam in Strelsson, Olymp, Lloyd und Boss, meine Gegen?ber hatten es vorgezogen, in abgewetztem Lacoste-Polo, Cargo-Hose und verschwitztem Sommerkleidchen zu erscheinen. Bevor einer fragt: Klar hab ich geschwitzt, wie Sau sogar, schlie?lich waren es drau?en 34 Grad, aber was solls? Schurwolle ist auch im Sommer ein feines Material, oder etwa nicht? Ich glaub, nur den beiden Kreativ-Labradors war noch w?rmer als mir. Kaum war ich da raus, hab ich ne Nachricht von einem Verlag auf der Mobilbox, wo denn mein ausgef?lltes Assessment bliebe. Also ganz schnell im Kopf umschalten auf n?chste Baustelle. Richtig irr wurde es dann aber Freitag, wo mich der Verlag zum Gespr?ch gebeten hat, und ich kaum aufgelegt hatte, und mich die Medienagentur verpflichten wollte. „Wir w?rden uns freuen, wenn Sie bei uns anfingen“. Nicht nur der richtige Konjunktiv ging runter wie ?l, das darf mir die werte Leserschaft ruhig glauben. Am Wochenende hab ich dann die Wahl gehabt, mir mit Gr?beln, ob ich in D?sseldorf zusagen soll, oder mit Vorbereiten auf das anstehende Bewerbungsgespr?ch den Kopf zerbrechen soll. Weil es sich aber auf einem Bein so schlecht steht, hab ich mir ?ber beide Sachen Kopf- und Bauchschmerzen enstehen lassen. (Da haben anderen Leute wahrhaftig schwerwiegendere Probleme.)
Heute morgen dann hab ich D?sseldorf abgesagt. Arrogant, was? Sagt der Kerl heutzutage bei der Lage auf dem Arbeitsmarkt einen Job ab! Ja nu, wenn statt Bauchgef?hl f?r die coole Arbeit nur Bauchschmerzen ?ber ein echt bescheidenes Gehalt und mangelhaften Ausblick f?r die Zeit nach dem Traineeship entstehen, und die Erkenntnis w?chst, da? man mit nur Spa? an der Arbeit nunmal den K?hlschrank nicht f?llen kann, dann soll man es wohl lieber lassen. Zumal ich nun auch gelernt habe, wem die vielgepriesenen „flachen Hierarchien“ am meisten dienen.
Gut, Verlag also. Entscheiden tut weh, zumal die mir immernoch absagen k?nnen. Alles auf eine Karte. Wow, ist gar nicht meine Art, aber man sagt ja, man wachse mit seinen Aufgaben. Also warum nicht? Stelle ich mich mal meiner eigenen Unf?higkeit, definitive Entscheidungen mit halbwegs k?hlem Kopf zu treffen und schaue, was dabei rauskommt.
Bis dahin nehme ich mir (und schlage gleichsam allen Interessierten) vor, auf folgende Fragen im Bewerbungsgespr?ch besser vorbereitet zu sein:
1. Wenn jetzt Ihre Freundin/Ihr Vater hier s??e, was w?rde der mir sagen, was Sie ganz besonders gut k?nnen, und was er/sie nicht an Ihnen sch?tzt?
2. Was hei?t Kreativit?t f?r Sie?
3. Was bedeutet f?r Sie Stre??
4. Was ist Ihre Rolle im Team?
5. Wenn Sie mal so richtig utopisch tr?umen, was ist Ihr Traumjob?
6. Was war Ihr bisher gr??ter Erfolg?
7. Wo sehen Sie sich in 3/5/7 Jahren?
8. Wieviele Stunden pro Woche m?chten Sie gerne arbeiten?
9. Wenn Sie mal zur?ckblicken, was w?rden Sie gerne an Ihrem Lebenslauf ?ndern?
… und mein pers?nlicher Favorit:
10. Warum sind Sie eigentlich hier?
Eben ruft noch eine Agentur aus Frankfurt an, mal h?ren, was die so zu sagen haben… Willkommen im Leben!