Wiedermal unterwegs gewesen, aber diesmal weit weg auf dem alten Kontinent. Irgendwie hake ich in letzter Zeit endlich mal wieder L?nder auf der „to visit“-Liste ab. 1200 km immer gen Osten, ?ber den Pott, durch die Ostzone, via Berlin und Frankfurt/Oder, an Posen vorbei schlie?lich und endlich nach Warschau, das liegt in Polen. Was wir dem armen Nissan der Dame damit zugemutet haben ist schon enorm: Da geht es gleich hinter der Grenze los mit Landstra?en-Terror, aber der ist vorerst nur zum Warmwerden.
Zweispurig zieht sich dort die Stra?e durch die Ein?de und verbindet den kapitalistischen Westen mit den Resten des einstigen Sowjet-Einflu?bereiches bis hin nach Wei?ru?land. Offiziell soll man da wohl 80 fahren, inoffiziell haben wir nichtmal ein Schild gesehen, an das man sich h?tte halten sollen. Daf?r aber jede Menge Nutten, die oft so ?berraschend an den unm?glichsten Stellen im Nirgendwo stehen, da? man sich geradewegs anbieten m?chte, sie zu fragen, ob sie sich verlaufen haben oder ob ihnen mit R?cken dieser K?rze nicht brutal kalt ist. Aber das ?bernahmen immer schon andere, die den M?dels ein paar Minuten im warmen Wagen gerne anboten.
Die Regeln der Stra?e sind ebenso einfach: Kommt was im R?ckspiegel n?her, fahr rechts auf den Seitenstreifen, kommt etwas durch die Frontscheibe n?her, gib Gas und ?berhol einfach. Irgendwann, gerade wenn das Hemd vom Angstschwei? wieder trocken ist, weil man sich an diese Kamikaze-Fahrenden gew?hnt und Spa? am Mitmachen gefunden hat, liegen da pl?tzlich 100km Autobahn vor einem, wie sie feiner, perfekter und neuer wohl nirgendwo zu finden ist. Entsprechend leicht f?llt einem dann auch der Griff nach der Kreditkarte f?r die Maut. Kurz nach Posen ist der Spa? dann auch leider wieder vorbei – ab da geht es erst richtig zur Sache!
Mittlerweile ist es d?mmrig, es regnet leicht, und es staut sich. Nur im Scheckentempo geht es voran, und man beginnt zu denken, ob ein Flug denn nicht doch die bessere Variante gewesen w?re – schei? doch auf das ?bergep?ck! Und ?berhaupt: Wer hat sich diesen Wahnsinn hier eigentlich einfallen lassen?! -Stop! Sowas sollte man nie tun, das verdirbt nur die Laune. Schlie?lich kommt man doch noch an, nachdem man sich 250 km lang mit der vierspurigen Nutzung einer f?r hiesige Verh?ltnisse doch recht schmalen Landstra?e und krass tiefen Spurrillen gequ?lt hat. Zweehundert Puls hatte ich stellenweise, mindestens! Weit gefehlt aber, wer da glaubt, in der polnischen Hauptstadt w?rden mehr Sherriffs f?r Ordnung sorgen. Nix da, nur ein durchgetretenes Gaspedal ist ein gutes Gaspedal. Und wir mittendrin.
Kentucky Fried Chicken & The Pizza Hut
Da sitzt man dann, nach 16 Stunden auf Achse, schwer ausgehungert und ein klein wenig ?berflutet mit Reizen in Warschau abends um 10 in einem kleinen Restaurant, wo sie gegen Geld Pizza verkaufen. Die Leuchtschrift malt „Pizza Hut“ in den feuchten Nachthimmel, auf der Geb?uder?ckseite ist es „KFC“. Nachdem die Pizza da angekommen ist, wo sie hingeh?rt, sehe ich auch wieder klar und entdecke Microsoft, Buderus, MercedesBenz, Makro, BP, H&M, Peugeot, Carrefour, Geant; ja sogar einen Real, Mediamarkt, Saturn, Aldi und Obi versprechen mir die Werbeschilder. Bin ich wirklich in Warschau?
Am n?chsten Tag dann die Antwort bei Licht: Ja, ich mu? im ehemaligen Ostblock sein, denn alles, was nachts leuchtet, ist neu, alles was nicht leuchtet, ist grausamste Sozi-Platte. Zwischendrin sprie?en die Glaspal?ste und Malls wie Pilze aus dem Boden. Man fragt sich blo?, ob die Kaufkraft noch folgen wird, denn momentan bekommt man zu jeder Tages- und Nachtzeit einen Parkplatz vor der T?r und kann sich drinnen seine Kassiererin aussuchen.
Der Rasende Robert
Ich hatte schon drauf gehofft, nach der ganzen City-Racer Geschichte in Warschau einen Taxifahrer auf dem Weg zum Flughafen zu haben, der es mal so richtig kesseln l??t. So… weil er sich eben auskennt. Und was sehe ich, als ich vor die T?r trete? -Einen wei?en Peugeot 405! Gut, nun ist Warschau nicht Marseilles, und tieffliegen kann der olle Bock auch nicht mehr, aber who cares? -Der Pawel soll’s mal so richtig brennen lassen!
Im Wagen wies die Taxilizenz Pawel als Robert aus, und der Tachostand von 205000 km machte wenig Hoffnung auf ein imposantes Geschwindigkeitserlebnis durch die City. Kurz nach dem Losfahren attestierte ich v?llig defekte Sto?d?mpfer; also zumindest der, auf dem ich sa?, hatte nichts mehr mit seinem Prim?rnutzen zu tun. Robert schien um diese und zig andere Unzul?nglichkeiten an seinem Fahrzeug aber zu wissen, denn der Gleichmut, mit dem er immer und immer wieder die absolut desolate weil chronisch rutschende Kupplung im Stop-and-go bediente, lie? auf nichts anderes schlie?en. Robert hatte auch Augen f?r vorbeilaufende, junge Damen -kein schlechtes Wort an dieser Stelle ?ber seinen Geschmack, mein lieber Scholli!- allerdings h?tte uns das beinahe einen Unfall eingebracht, den er gerade noch so verhindert hat: Ich hatte es schon knallen h?ren!
Als wir dann endlich mal freie Bahn mit Marzipan hatten, da hat er dann auch mal ein klein wenig TaxiTaxi gespielt, so mit 120 ?ber die Zubringer, mit 90 in eine 30er Baustelle rein, schwungvoll abbiegen mit 70, und dr?ngeln wie ein Gro?er. Irgendwas piepte da in diesem Taxi schon die ganze Fahrt ?ber, und ich dachte noch, es sei die Funkanlage. Als Robert da gerade ganz fluffig volles Rohr die anderen Autos am Vers?gen war, entdeckte ich die Herkunft des Piepen: Die Tankuhr. Ich sage Ihnen, der Tank was sowas von leer, aber sowas von, da h?tte ich schon l?ngst mit dem Schwitzen begonnen. Robert war ruhig und gab noch etwas mehr Gummi, schlie?lich sah der Kapitalist auf der R?ckbank so aus, als h?tte er es eilig.
Aber Ende gut, alles gut: Ich bin wieder wohlbehalten nach nur anderthalb Stunden Flug gelandet. Und ich mu? ganz ehrlich mal sagen, diesen Flug hab ich mir mir der Autofahrt auf dem Hinweg auch wirklich verdient. Sollte man viel ?fter so machen, da lernt man solche Sachen wieder richtig sch?tzen.